Montag, 4. Mai 2020

Schlierbach


Ein Festtag ohne Festlichkeit
400 Jahre Wiederbesiedelung 
des Klosters Schlierbach

Wie viele Tage waren sie wohl mit Ross und Wagen unterwegs gewesen? Man weiß es nicht: Aber am Samstag, dem 9. Mai 1620, kamen sie im leerstehenden Kloster Schlierbach an: die ersten drei Mönche aus dem etwa 200 Kilometer entferntem Kloster Rein bei Graz. Hauschronist P. Florian Zeller (+1960) schreibt in der umfangreichen Darstellung zur Geschichte des Kloster Schlierbach:
„Das Jahr 1620 brachte eine neue und zwar günstige Wendung für die alte Stiftung Eberhards von Walsee. Die Bemühungen des Generalabtes der Zisterzienser Nikolaus Boucherat und seines Generalvikars in den österreichischen Landen, des Abtes Matthias Gülger von Rein fanden im Reformeifer Kaiser Ferdinands II. ihre günstige Ergänzung und so gewann mit Zustimmung des Kaisers der Orden das ihm gehörige Kloster wieder, nur dass es jetzt, um den gegenreformatorischen Bemühungen des Kaisers besser dienen zu können, mit Mönchen besetzt wurde.
Am Samstag vor Jubilate, das war am 9. Mai 1620, zogen drei Mönche aus dem Kloster Rein im solange verwaisten Schlierbach ein. Es war ein kleiner Anfang und Mühseligkeiten sowie Schwierigkeiten gab es für die Angekommenen genug.“

Über sechs Jahrzehnte war das frühere Frauenkloster Schlierbach leer gestanden. Nun aber sollte, trotz vieler Schwierigkeiten und mancher Gegner, das Klosterleben wieder neu erwachen und Schlierbach einen bedeutenden Beitrag zur Verbreitung des Glaubens im Kremstal leisten.
Mühsam war nicht nur der Beginn. Die ersten Jahrzehnte von bisher 400 Jahren waren geprägt von einem langsamen Beginn, vor allem mit der Adaptierung des so lange leerenstehenden Gebäudes. Aber bereits der dritte Abt, Nivard I., begann 1672 mit dem vollständigen Neubau einer nun barocken Anlage. Benedikt Rieger (+1695) gilt als großer Erbauer der prachtvollen Stiftskirche und weiter Teile des Klostergebäudes. Bernhardisaal, Außentrakt und „Hofgarten“ folgten in den Jahrzehnten, bis der siebte Abt, Christian Stadler (1715-1740), auf ein prächtiges Kloster mit erfreulichem Personalstand blicken konnte. Erste große Schwierigkeiten begannen mit den Reformen Kaiser Josephs II. und der Verpflichtung zur Vermehrung der Pfarren. Notverkäufe mussten um das Jahr 1800 getätigt werden, die Kriegsabgaben der Napoleonischen Zeit trugen das Ihrige bei. 1815 wurde dem Stift sogar die Verwaltung entzogen. Mit dem Tod des Abtes Marian ging 1818, kurz also vor dem 200jahr Jubiläum die Zeit der Äbte zu Ende. Administratoren leiteten von nun an das darniederliegende Haus mit den immer weniger werdenden Konventmitgliedern. Manche dieser Administratoren bemühten sich nach Kräften, die drohende Schließung zu verhindern. Zumindest dies gelang. Und kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert gab es auch ein erstes Wiedererstarken. Das regelmäßige Chorgebet begann wieder, die Gebäude konnten notdürftig renoviert werden. Während der Zeit des 1. Weltkriegs, genau am 24. Juli 1917, wählte man dann den bisher jüngsten Abt, der auch der am längsten dienende werden sollte: Mit nur 32 Jahren begann Dr. Alois Wiesinger sein Aufbauwerk. Er liebte und förderte das streng monastische Leben, gründete das „Brüderinstitut“ (Mönche, die keine Priester sind), gründete das Gymnasium, die Landwirtschaftsschule (früher Winterschule) und wagte auch eine Klostergründung in Brasilien. Er selbst war mit einigen Mitbrüdern von 1939 bis 1946 in Jequitiba (Staat Bahia, Brasilien) und leistete dort Großartiges. Eine neue Blütezeit brach an. Im Jahr 1937 zählte das Kloster Schlierbach 70 Mitglieder. Vieles von ihm Gegründete besteht bis heute weiter. Seine Nachfolger erhielten, gestalteten und taten das Ihrige, um Schlierbach in das 21. Jahrhundert zu führen. Über 500 Schülerinnen und Schüler besuchen das Stiftsgymnasium. Das Bildungszentrum erfreut sich großer Beliebtheit, die Glaswerkstätte liefert renovierte und neue Fenster in viele Länder und ist weitum geschätzt und bekannt. Neun Pfarren sind dem Stift zur Seelsorge anvertraut, mehr als diese neun werden betreut. Das Missionswerk fördert die Arbeit der Mitbrüder in Brasilien. Die Käserei befindet sich nach wie vor in den Stiftsgebäuden und ist ein wichtiger lokaler Arbeitgeber. Viele Touristen kommen jährlich nach Schlierbach und können im PANORAMA Klosterprodukte kaufen, sich stärken und auch die herrliche Aussicht über das Kremstal genießen.

Nun sind 400 Jahre seit der Wiederbesiedelung vergangen. Wieder wäre der 9. Mai ein Samstag, wie damals. Leider kann aufgrund der Beschränkungen infolge der „Corona-Krise“ das Fest am 9. Mai nicht stattfinden. Mit dem Abt von Rein, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Pfarren und Freunden des Hauses, den Zisterziensern Österreichs und den Nachbarklöstern hätte man gerne den Gottesdienst gefeiert. Der Reiner Abt Philipp Helm wird dennoch den Konvent besuchen und im Gottesdienst für vier Jahrhunderte danken und Gottes Segen für die kommende Zeit erbitten.