Sonntag, 9. Oktober 2022

Heiligenkreuz, Österreich

 "Die Tagespost" rezensiert das Jahrbuch Ambo-2021der Hochschule Heiligenkreuz.

Schon mit früheren Bänden ihres Ambo-Jahrbuches hat die Philosophisch-Theologische Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz nachweisen können, dass ihr Denken, Lehren und Forschen keineswegs in einer weltfernen Nische stattfindet, sondern sich höchsten akademischen und intellektuellen Ansprüchen stellt. Nach dem beeindruckenden Metaphysik-Band „Das Gute, Wahre und Schöne. Zur Aktualität der Lehre von den Transzendentalien“ (Ambo 2020) folgte 2021 als 6. Band „Literatur und Glaube. Zur Wiederbegegnung von Kultur und Christentum“, der vor allem die erweiterten Referate der zusammen mit dem Institut „EUPHRat“ im November 2019 und Ende Mai 2021 organisierten offenen „Literatur und Theologie“-Tagungen zum Thema „Erzählen zwischen Geschichte und Heilsgeschichte“ und „Eros und Jungfräulichkeit“ präsentiert.

Nach Einführungen der Herausgeber beschreibt Veit Neumann (Regensburg) die Literatur des französischen Renouveau catholique mit besonderem Blick auf Georges Bernanos‘ Priesterverständnis und die „pucelle“ Jeanne d‘Arc den geistigen Kampf und die geistige Reinheit dieser Autoren unter der Überschrift „Der Jungfrau verpflichtet, nicht dem Eros“. Die Literaturhistorikerin und Vorsitzende der „Gertrud von le Fort-Gesellschaft“ Gudrun Trausmuth befasst sich mit le Forts Geschichtsverständnis zwischen Heil und Historie.

Im Abschnitt „Schriftsteller im Dialog mit dem Glauben“ (67-180) widmet sich Nicolaus U. Buhlmann CanReg (Klosterneuburg) zunächst Werner Bergengruens großem Roman „Am Himmel wie auf Erden“ und seiner Suche nach dem Ordo einer neuen Welt, „wenn man eine verloren hat“. Die in Trumau lehrende Theologin Gundula Harand behandelt den le Fort-Roman „Der Papst aus dem Ghetto“ (1930). Alkuin Schachenmayr OCist (Salzburg) beschreibt Gertrud von le Forts Novelle „Die Consolata“ über die Bedrängung der mittelalterlichen Stadt Padua durch einen Tyrannen und ein päpstliches Interdikt, auf das im Geist des heiligen Franziskus mit Psalmenrezitationen reagiert wurde. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (Erlangen) erinnert an das schwere Leben und reiche Wirken der bildenden Künstlerin Ruth Schaumann (1899-1975), die auch schriftstellerisch aktiv war. „Glaube und Religion im Leben und Werk von Agatha Christie“ beschreibt der Aufsatz von Bruno Hannöver OCist. Norbert Feinendegen (Bonn) hat über den vor allem durch seine Narnia-Geschichten bekannten britischen Autor C. S. Lewis promoviert und widmet sich der „erzählten Eschatologie“ von Lewis‘ Prosadichtung „Die große Scheidung“ (The Great Divorce), die sich in ihrer Jenseitsreise auffällig an Dantes „Göttlicher Komödie“ orientiert.

Eros und Einsamkeit

Den Abschnitt „Eros und Jungfräulichkeit in der Literatur“ beginnt Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz mit der Schilderung von Mystik, Eros und Jungfräulichkeit in Thomas Manns großem Josephsroman. Darin geht es auch um das Licht der Vernunft des Jahwe-Gottes im Gegenüber zur Mythologie ägyptischer Religion. Den Verführungen durch die Frau des Potiphar setzt Joseph seine männliche Jungfräulichkeit und die „Würde des Ich“ entgegen.

Ein weiterer Text der Trägerin des Ratzinger-Preises 2021 behandelt Ehe, Einsamkeit und Gnade im Blick von Ida Friederike Görres (1901-1971). „Ehe kommt von ,ewig‘ – und da stockt schon der Atem“. Falkovitz, die selbst zweimal verwitwet ist, stellt sich – wie Ida Friederike Görres zu Beginn der „Würzburger Synode“ der 1970er Jahre – aktuell den Herausforderungen des umstrittenen „Synodalen Weges“, dessen Vollversammlung sie angehört, und betont den sakramentalen Sinn christlicher Ehe.

Gudrun Trausmuth sieht in den so unterschiedlichen Werken Gertrud von le Forts und Graham Greenes die „größere Liebe im Spannungsfeld von Eros und Jungfräulichkeit“ (219) und erwähnt auch Greenes Probleme aufgrund seines eher lockeren Lebenswandels.

Von Buhlmann bis Buchmüller

Weitere Abschnitte widmen sich zunächst der priesterlichen Auseinandersetzung mit Eros und Jungfräulichkeit anhand der faszinierenden und von Kosmas Thielmann OCist einfühlsam beschriebenen Lebensgeschichte des weltbekannten Trappisten Thomas Merton (1915-1968). Es folgen unter dem Titel „Zumutung aus der Ewigkeit“ Gedanken von Nicolaus U. Buhlmann CanReg über „priesterliches Seelenleben“. Bevor er sich dazu besonders Bernanos‘ „Tagebuch eines Landpfarrers“ anschließt, benennt Buhlmann ungeschminkt die aktuelle Krise: „Dem Priestertum geht es nicht gut, weil einige von denen, die es sind, es nicht mehr sein wollen, während gleichzeitig manche, die es nicht sind und nicht sein können, es unbedingt werden wollen“. Unter „Priesterliche Spiritualität“ folgen drei theologische Homilien von Kurt Kardinal Koch.

Unter „Zur Unterscheidung der Geister“ wird der sich mit modernen angelsächsischen Denkern auseinandersetzende Aufsatz „Zwischen Widerstandshort und Vorurteil. Gedanken zur Rehabilitierung moralischer Intuition“ des Spaemann-Schülers Engelbert Recktenwald FSSP hinzugefügt. Den spirituellen Abschluss bieten zwei Texte von Leo Bazant Hegemark und Herausgeber Wolfgang Buchmüller OCist, dem Rektor der Hochschule Heiligenkreuz, mit unterschiedlichen Übersetzungen eines ganz im Geiste Bernhards von Clairvaux gedichteten Hymnus „Dulcis Iesu memoria“ des Aelred von Rievaulx.

Neben fundierten Rezensionen und dem Jahresbericht der Hochschule 2020 ist auch noch die leider gekürzte und kundige Würdigung von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz anlässlich der Bamberger Verleihung des Augustin-Bea-Preises der Internationalen Stiftung Humanum (Lugano) an sie durch deren Präsidenten Wolfgang Hariolf Spindler OP (München) zu erwähnen.

Der gehaltreiche Ambo-Band wird zu einem studentenfreundlichen Preis angeboten und verdient Beachtung durch katholisch Gebildete jenseits allen Richtungsdenkens.

Wolfgang Buchmüller, Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Gudrun Trausmuth (Hg.): Ambo 2021. Literatur und Glaube. Zur Wiederbegegnung von Kultur und Christentum. Jahrbuch der Hochschule Heiligenkreuz 2021. 6. Jahrgang, Heiligenkreuz (Be & Be) 2021, 407 Seiten, EUR 24,90